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Tja … Als Konzertjunkie hat man es wirklich nicht leicht. Da freut man sich das ganze Wochenende darüber, mal wieder ganz “privat” auf einem Festival zu sein und nicht als Presse und daher keinen Bericht schreiben und nicht zu jeder Band eine Meinung haben zu müssen – und dann denkt man mittendrin immer wieder “Das muss in den Bericht!”/”Das ist die perfekte Überschrift!”/”Na, das ist nun aber mal ein klarer Kritikpunkt”. Und kaum wieder daheim, setzt man sich hin und schreibt einen Bericht …
Disclaimer vorab: Das hier wird mehr ein Blogeintrag als ein Festivalbericht. Denn schließlich war ich nicht als Presse da, hab mir keinerlei Notizen gemacht und möchte eigentlich auch nicht über die Bands berichten, sondern eher so ganz allgemein.
Gut, erst mal drei Schritte zurück. Vor dem Festival gab es eine Menge Kritik am Rock’n’Heim-Festival, dem neuen Ableger von Rock am Ring/Rock im Park. Kaum Vorab-Infos, teure Tickets in verschiedenen Stufen (normal, Preferred Camping, VIP), und als dann endlich das komplette Programm bekanntgegeben wurde, gab es nur 30 statt 40 Bands und nur zwei statt der angekündigten “mehreren” Bühnen. Ich hatte das Festival rein gewohnheitsmäßig (es ist halt immer noch drin …) nach der Ankündigung der Ärzte ins Auge gefasst, und als ich dann mal genauer aufs Line-Up geguckt und System of a Down registriert hatte, war’s um mich geschehen. Und da ich ja mittlerweile eigentlich Hotelschläfer bin, es in der Nähe (Nähe = Laufweite) aber keinerlei Hotelzimmer gab, hab ich das gesparte Hotelgeld in ein VIP-Ticket investiert. Was sich im Nachhinein betrachtet wohl kaum gelohnt hat, denn das Preferred Camping war wohl nicht viel weiter entfernt; aber geschadet hat es auch nicht, also was soll’s.
Lust hatte ich vorab überhaupt nicht – ernsthaft, im Auto schlafen? DÄ hatten mich bei den letzten Konzerten absolut nicht überzeugt und ich WOLLTE sie überhaupt nicht sehen. Und dann auch noch ein riesiges Festival mit 35.000 Leuten (und das nur, weil es ja weit entfernt von ausverkauft war, eigentlich hätten 50.000 aufs Gelände gepasst…). Hätte es einen Markt für Karten gegeben, hätte ich meine sicher verkauft. Den gab’s aber nicht. Und außerdem: SYSTEM!!!
Also, auf in den Kampf. Auf Facebook wurde schon vom Chaos bei der Anreise berichtet – aber man ist ja VIP, fährt von der anderen Seite an den Ring, sieht weit und breit keine anderen Autos und wird sofort auf einen Parkplatz geleitet, der zwar außerhalb des Geländes ist, aber dafür ca. fünf Minuten entfernt vom VIP-Eingang. Mit direktem Blick auf eine der Bühnen! OK, war leider die “kleine” und ziemlich uninteressante, aber hey, das hatte ich bisher noch nie! Und so ruhig wie dort habe ich auch noch nie auf einem Festival übernachtet; auf dem Parkplatz kam echt den ganzen Tag niemand vorbei, und nachts sowieso nicht. Und nachdem mir ein Ordner versichert hatte, dass das Tor zum Gelände auch nachts offen bleibt und ich jederzeit wieder an mein Auto komme, wurde das Auto noch schnell in die richtige Himmelsrichtung ausgerichtet (ja, schlafen im Auto ist eine Wissenschaft für sich!), und los ging’s zum Festivalgelände. Nicht, dass ich der Aussage des Ordners wirklich vertraut hätte – ich habe zwar eigentlich alle Festival-Mitarbeiter, mit denen ich gesprochen habe, als sehr nett und hilfsbereit empfunden. Genauso hatten alle aber absolut überhaupt keine Ahnung. Am besten war dabei noch derjenige, der mir lang und breit und ausführlich (und wirklich nett dabei) erklärte, dass er nun mal niemand durch den einen Durchgang lassen darf und daher alle, die zum Parkplatz wollen, immer erst 200 Meter die Rennstrecke rauf laufen müssen, DANN durch den unbewachten Durchgang und dann wieder 200 Meter über den Versorgungsweg zurück. Ohne dass irgendeine Kontrollstelle oder irgendwas dazwischen gewesen wäre. Es gab absolut NULL Grund für diese Regelung. “Ich finde das auch schwachsinnig, aber so ist die Anordnung.” Die Bemerkung, dass er einen echt guten Nazi abgegeben hätte, konnte ich mir noch gerade so verkneifen … Aber nun ja, zum Glück stand an dem Durchgang nur hin und wieder jemand. 😉 Und das Tor blieb nachts tatsächlich offen.
Aber genau das war der große Kritikpunkt am ganzen Festival: Es war doch alles schwer improvisiert und unorganisiert. Und das erwarte ich von einem Festival, das von solch erfahrenen Veranstaltern auf die Beine gestellt wird, doch anders. Der VIP-Eingang und -Ausgang war an jedem Tag an einer anderen Stelle. Warum?! Mein Müllpfand hab ich auch nicht wiederbekommen, da ich ja nicht auf dem großen VIP-Parkplatz stand, sondern auf dem kleinen außerhalb. Laut Webseite sollte man in dem Fall zum nächsten großen Parkplatz fahren – aber da kam ich von meinem aus ja gar nicht hin. Und eine lange Wanderung war es mir nicht wert; zumal danach dann ja noch die Diskussion gekommen wäre, dass ich viel zu wenig Müll produziert hätte. Diese Diskussionen konnte ich bisher zwar bei jedem Festival für mich entscheiden, aber … ach, ich war zu faul.
Das Gelände war für ein Festival dieser Größe super – zwar furchtbar weitläufig und mit riesigen Entfernungen, dafür aber auch beim Headliner nicht total überlaufen. Größtenteils geteert, nur vor der Hauptbühne gab’s eine riesige “Wiese”. Oder nennen wir es “Dreckloch” … Das passte nun wirklich nicht zu der Ankündigung, dass “das gesamte Gelände befestigt und damit auch bei Regen laufsicher” sein sollte. Nun ja, der Regen hielt sich zum Glück in Grenzen, Matsch gab es also wirklich keinen – dafür stellte ich bei System of a Down fest, dass der Staub im Taubertal doch eher ein “Stäubchen” ist. Wenn man vorne im Wellenbrecher steht und die Bühne nicht mehr sieht … aber ich greife vor.
Hauptband des ersten Tages waren für mich die Ärzte. Wie erwähnt, es ist halt immer noch drin … Das war mein 98. Ärzte-Konzert, die letzten beiden fand ich richtig mies, und die Band und ihre Konzerte interessieren mich einfach nicht mehr. Dennoch versuche ich es ja immer wieder, ihnen noch mal eine Chance zu geben und das Konzert zu genießen … Das klappte diesmal nicht, aber nicht unbedingt nur wegen DÄ. Ich hatte mir schon früh am Abend einen Platz im Wellenbrecher gesucht (denn man weiß ja, bei großen Festivals muss man zwei Bands vorher drin sein, sonst kommt man nicht mehr nach vorne). War auch kein Problem, es gab noch ein schönes Plätzchen hinten am Gitter, direkt vor dem Wellenbrecher, zwar recht weit hinten, aber mit guter Sicht. Bei Bonaparte wurde es langsam voll, aber nun ja, ich konnte ja jederzeit noch ein wenig zur Seite gehen, da wäre dann ja mehr Platz. Sollte man zumindest denken. Bei den ersten DÄ-Liedern sah ich dann, wie weiter in der Mitte Leute nach hinten übers Gitter aus dem Wellenbrecher kletterten – äääääh, nicht gut. GAR nicht gut. Und bei uns wurde es auch immer voller und voller … nicht wirklich gefährlich (schließlich stand ich direkt vor dem Gitter und hintendran war der Gang), aber unangenehm. Und mit der Zeit kamen immer mehr Leute von vorne und von der Seite, teilweise fast panisch, und wollten raus. Der Gang hinter mir war auch ständig voll … Irgendwann wurde es mir dann auch zu blöd (bis dahin hatte ich vor lauter Gedrängel und Durchgequetsche und Platz machen, um andere rauszulassen, eh noch nichts vom Konzert mitbekommen, und bewegen war sowieso unmöglich), und ich bin auch raus. Das dauerte eine ganze Weile, bis man dann mal aus dem Graben raus war, da war nämlich Stau … und was soll ich sagen: An der Seite hätte man dann ganz problemlos wieder in den Wellenbrecher reinspazieren können! Äh – hallo?! Innendrin ist es völlig überfüllt, und keiner kommt auf die Idee, vorne dichtzumachen?! Später sind dann auch noch Securities mit Holzlatten in den Wellenbrecher-Gang gelaufen. Vermutlich wurde doch ein wenig zu viel von vorne gedrückt … Nee, das war völlig unprofessionell und gefährlich. Es scheint alles gut abgelaufen zu sein, aber so geht das nicht bei einem Festival dieser Größenordnung.
Am nächsten Tag fragte ich vorab, ob der Wellenbrecher zugemacht wird. “Ja klar, wenn voll ist, machen wir hier dicht!” Auf die Anmerkung, dass das gestern ja nicht so geklappt hätte, kam dann nur ein “ja, gestern ging’s ein bisschen drunter und drüber”. Na gut, ist ja auch das erste Mal, kann man ja als Security nicht ahnen … *rolleyes* Nun ja, die Definition von “wenn voll ist” war dann offenbar “wenn keiner mehr reinpasst”, zumindest fühlte es sich vor Tenacious D genau so an. Und zwischen Tenacious D und System of a Down muss es am Wellenbrecher-Einlass auch übel abgegangen sein … am nächsten Tag gab es dann plötzlich noch einen Trenner im Eingangsbereich, um Ein- und Ausgang abzutrennen. Ach ja, woher soll man sowas auch nach zwanzig Jahren RaR/RiP wissen … Das hatte Southside-Niveau, und das ist schlecht. Ganz schlecht. 🙁
Aber zum Glück ist dieses Mal alles gutgegangen, und vielleicht lernen die Veranstalter bis nächstes Jahr. Wenn nicht, ist es nicht zu entschuldigen.
Zurück zu den Ärzten. Ich fand das Konzert völlig unspektakulär – hängengeblieben ist bei mir eigentlich nur, dass tatsächlich Angekumpelt gespielt wurden (YAY!) und dass Bela immer wieder blöd über “Rock im Heim” rumgewitzelt hat. Mehr WEISS ich nicht mehr vom Konzert. Und das liegt garantiert nicht an dem einen Radler, den ich mir nach der Flucht aus dem Wellenbrecher gönnen konnte (im vorderen Bereich gab’s tatsächlich nicht mal Bier!). Diese Band interessiert mich einfach nicht mehr, und das ist einerseits total schade, andererseits interessiert es mich so wenig, dass es mir echt egal ist. Mich erschreckt es nur ein bisschen, dass ich – als Konzertjunkie – nach 98 Konzerten nicht das kleinste bisschen Ehrgeiz habe, die 100 vollzumachen …
Franz Ferdinand danach an der “kleinen” Bühne (“klein” in Anführungszeichen, weil diese Bühne ungefähr dreimal so groß war wie die Hauptbühne beim Taubertal *g*) waren ein netter Abschluss des Tages, zumal relativ wenig los war und man vorne seitlich quasi direkt vor die Bühne laufen konnte.
Der nächste Tag galt dann SYSTEM. Alles andere war mir eigentlich egal – im wunderschönen Wetter und strahlendem Sonnenschein war aber der gesamte Tag sehr nett, auch wenn mich musikalisch nichts vom Hocker riss. Tenacious D kannte ich vorab gar nicht und wusste nur, dass die von allen total gehyped werden. Aber: super! Gefiel mir echt gut, und zumindest ein paar Lieder werde ich mir wohl anschaffen müssen. Es war definitiv amüsant.
Und dann System of a Down! Ich hatte sie vorher schon zweimal gesehen – einmal beim Southside mit katastrophalen Sicherheitsvorkehrungen, wo ich vorsichtshalber ganz hinten geblieben bin, weder auf der Bühne noch auf der Leinwand etwas sehen konnte und die Musik von zwei Bühnen gleichzeitig gehört habe. Dafür war ich nicht von den gebrochenen Gittern betroffen … Dann vor zwei Jahren bei Rock im Park, was super toll war, aber ich war eigentlich zu weit weg und konnte die Texte nicht. Letzterem hatte ich dieses Mal vorgesorgt, und da der Wellenbrecher dann doch irgendwann zugemacht wurde, traute ich mich auch seitlich vorne rein. Und hatte mit meiner Ecke echt Glück! Es wurde mitgemacht, geschrien, getanzt, aber jeder für sich und ohne Geschubse, und das Pogopit knapp neben mir blieb auch knapp neben mir. Wunderbar! Und beste Sicht zur Bühne. System sind leider keine sonderlich tolle Live-Band, aber wenn man mit dem Wissen reingeht, ist man auch nicht enttäuscht – alle großen Lieder waren dabei, die Band hatte Spaß beim Spielen, das Publikum war absolut null aggressiv, dafür waren alle am Strahlen, und es war einfach ein tolles Konzert! Nur als am Ende dann die Circle Pits losgingen (zum Glück erst am Ende!), ging vorne gar nichts mehr – der Boden war völlig ausgetrocknet, und der komplette vordere Bereich verwandelte sich in eine einzige riesige Staubwolke. Urghs. Aber hach … SYSTEM!! Allein dafür hat sich das Festival voll und ganz gelohnt.
Casper an der kleinen Bühne war dann noch ein netter Ausklang, aber die Energie war bei mir langsam weg.
Der nächste Tag fing dann mit Regen an – also, so gegen 15 Uhr. *g* Zum Glück blieb es aber beim Nieselregen und schüttete nicht, und mittendrin wurde es auch wieder trocken. Hätte schlimmer sein können. Die Bands sagten mir diesmal alle was – richtige Highlights gab es aber erst mal nicht. Bei Kvelertak fragte ich mich ernsthaft, wer die überhaupt braucht und warum da nicht stattdessen Skambankt stehen … Es ist einfach nicht meine Musik. Ich hatte erwartet, dass das Publikum sie abfeiert, aber das war auch nur sehr begrenzt der Fall. Und bei den Ansagen hab ich ungefähr so viel verstanden wie von ihren Texten … es ist also offenbar wuppe, ob der Frontmann Norwegisch oder Englisch spricht, man versteht ihn in keinem Fall.
Heaven Shall Burn kamen dann deutlich besser an, und den Dauerlauf übers komplette Gelände (ursprünglich mal geplant als Circle Pit um den FOH-Turm) fand ich lustig. *g*
Dann war es endlich Zeit für Kraftklub, mit einem tollen Konzert wie immer. Die Jungs haben immer noch nicht kapiert, wie groß sie sind. “Oh, hier sind ja wirklich Leute vor der Bühne!” Und der Ausflug von Sänger Felix ins Publikum war sicher auch anders geplant – er hatte schwer zu kämpfen, um wieder zurück auf die Bühne zu kommen, opferte Schuhe und Socken und war danach sichtlich mitgenommen. Tja, das Leben als Rockstar wäre vielleicht einfacher, wenn man merken würde, dass man Rockstar ist. 😉 Aber wie gesagt: toller Auftritt, und wieder ein wunderbar begeistertes Publikum, wo es Spaß machte, mittendrin zu stehen. 🙂
Headliner am Sonntag waren dann Nine Inch Nails. Von denen war ich vor Jahren mehrfach sehr begeistert – diesmal sprang der Funke nicht wirklich über. Das kann einfach daran gelegen haben, dass es der dritte Festivalabend war; es war langsam aber sicher zu viel des Guten. Visuell macht NiN NIEMAND etwas vor, das war Weltklasse. Es wäre allerdings noch eindrucksvoller gewesen, wenn nicht ständig irgendwelche Beleuchter und Umbauhelfer auf der Bühne rumgekrabbelt wären. Musikalisch fand ich’s … langweilig. Schade! Das empfand offenbar auch nicht nur ich so, denn das Gelände war erschreckend leer. Und auch ich war mehrfach kurz davor zu gehen – schließlich hatte ich noch anderthalb Stunden Heimfahrt vor mir und musste am Montag wieder zur Arbeit. Aber im Hinterkopf hatte ich ständig “gleich kommt noch ‘Hurt’!” Und das war eine weise Entscheidung, denn als Hurt dann endlich kam, war das eines der Highlights – wenn nicht DAS Highlight – des Festivals! So toll, so viel Gefühl … hach. Einen besseren Festivalabschluss hätte es nicht geben können!
Und insgesamt? Mein Fazit ist voll und ganz positiv. Ja, es war das erste Mal für das Festival, dementsprechend lief vieles chaotisch ab. Nein, einige der Dinge, insbesondere die sicherheitstechnischen Kritikpunkte, sind nicht zu entschuldigen. Dennoch war es insgesamt einfach schön – alles lief friedlich und freundlich ab, die Menschenmassen verteilten sich auf dem Gelände, man kam immer problemlos dorthin, wo man hinwollte, Schlangen hielten sich in Grenzen und die Bands waren einfach toll. Und System of a Down und Nine Inch Nails sind halt doch eine andere Kategorie Headliner als Deichkind und Chase & Status – was letztere nicht schlecht macht, aber es ist einfach eine ganz andere Art von Festival. Und gar nicht mal eine schlechte …