Konzerttechnisch gesehen war der Mai ziemlicher Wahnsinn – Art Brut, Benzin, dann eine Woche New York inklusive Kaizers-Konzert, dann Honningbarna und zum Abschluss noch 77 Bombay Street. Die wollte ich unbedingt mal wieder sehen – nachdem sie mich beim Open Air Gampel 2011 sofort überzeugt hatten. Also keine Müdigkeit und auf ins Goldmarks … oder nein, kurzfristig verlegt ins (deutlich größere) Universum, gutes Zeichen!
77 Bombay Street sind in der Schweiz riesig – hierzulande aber noch quasi unbekannt. Die Musik kann man wohl am besten als eingängigen Pop auf Englisch beschreiben, und genau da haben wir sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Band. EINGÄNGIG. Ohrwurm, aber absolut! Lieder wie “Up in the sky” oder “I love Lady Gaga” hört man einmal, singt am Ende schon mit, und zwei Wochen später immer noch. Und interessanterweise funktioniert das auch auf Platte: Die Lieder kann man immer und immer wieder nebenbei hören, sie sind einfach schön, gehen einem aber nicht auf den Geist.
Aber wie gesagt, es ist auch gleichzeitig die Schwäche. Hört man auf die Texte oder liest sie gar im Booklet nach, ist man doch enttäuscht, denn … nun ja, “banal” ist noch nett gesagt. Zwar sollen da durchaus immer wieder Gesellschaftskritik oder ernste Themen drinstecken, aber über eine minimale Prise kommt die Band nicht raus. Schade! Man muss es also wirklich als seichten Pop ohne Tiefgang nehmen.
Das ist ja aber auch absolut in Ordnung, solange die Musik Spaß macht. Und dementsprechend freute ich mich auf das Konzert – war aber erst mal ernüchtert. Denn was stellt man sich beim Stichwort “seichter Pop” vor? Genau, vier weichgespülte Grinsebacken auf der Bühne, die ihre Lieder runterspielen und dazwischen eher unbeholfene Ansagen ins Mikro grinsen. Und genau das war es. 🙁 Die erste Hälfte des Konzerts fand ich absolut enttäuschend und fühlte mich simpel und einfach “im falschen Film” – das mag ja ganz nett sein, aber es ist nicht meine Welt. Absolut nicht. Am Tag zuvor hüpfte noch der Sänger der Honningbarna um mich rum, da fühlte ich mich um einiges wohler …
Aber – zum Glück – zu früh verzweifelt! Nach einer Weile wurden 77 Bombay Street immer lockerer und damit auch sympathischer. Der Lead-Gesang ging reihum, jeder durfte mal ans Mikro, es wurde sehr unterhaltsam und man merkte, was die Jungs musikalisch so alles draufhaben. Und als dann als letztes Lied noch “Waiting for tomorrow” akustisch und ohne Mikros dargeboten wurde – auch wieder auf alle Band-Mitglieder verteilt und mit lautstarkem Mitsingen des Publikums – da hatten sie bei mir absolut gewonnen. Das war stark, wahnsinnig stark. So viel Ausdruck sucht man bei anderen Bands vergeblich.
Mal sehen, wie lange es dauert, bis sie es wieder nach Deutschland schaffen – und wann der große Durchbruch kommt. Denn der muss kommen – radiokompatible Ohrwürmer und musikalisches Können, was will man mehr?!
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