Ich weiß immer noch nicht, wie ich dazu komme, für eine unbekannte Band quer durch Deutschland zu fahren, aber “Die Zu Späten” sollten nun mal in Berlin spielen und das kann man ja gleich mit einer Erstbesichtigung der Hauptstadt verbinden. Nicht eingeplant war dabei natürlich, daß gewisse Leute negativen Einfluß auf das Wetter zu haben scheinen und es so den ganzen Tag aufs Heftigste regnete…
Folgerichtig waren wir bereits klatschnaß als wir gegen 18 Uhr am SO36 eintrafen. Die Zeit bis zum Einlaß reichte dann gar nicht, um alle Bekannten zu begrüßen, aber dafür war ein Platz in vorderer Reihe sicher. Bevor wir uns aber am Hauptact des Abends erfreuen konnten, mußten wir erst mal die noch unbekanntere Vorband “Essen auf Rädern” über uns ergehen lassen. Campino, Breiti & Co. hatten nur eine Stunde Zeit, um allen richtig einzuheizen, aber sie machten ihre Sache wirklich gut. Wider Erwarten gab es keine Buhrufe, so daß man vielleicht auf weitere Zusammenarbeit von Berlin und Düsseldorf hoffen kann.
Auch die Leute von der Security kamen schon von Anfang an auf ihre Kosten. Sie mußten nicht nur die zahlreichen Stagediver bändigen bzw. animieren, sondern entfernten auch geheimnisvolle Kapuzenmänner (“Visum für Goetheburg” – nähere Hinweise erbeten!) effektiv aus dem Publikum.
Nach einer kurzen Umbaupause (Käse & Wurst mußten schließlich in Position gebracht werden) kamen gegen Viertel zehn endlich Torsten, Horst und Dieter auf die Bühne. Wie sich dann herausstellte, handelte es sich bei den Dreien um eine sehr gute Coverband der “besten Band der Welt”. Dabei covern sie nicht nur Melodien und Texte, sondern auch die genialen Ansagen der berühmten Vorbilder. Nach dem Beginn mit Dauerwelle vs. Minipli und vor allem Westerland war die Stimmung sofort da. Steffi (alias Dieter) und Angelika (alias Horst) schaukelten sich gegenseitig hoch, während das Publikum förmlich zu zerfließen begann. Erster Höhepunkt war dann der Publikumswettstreit um den Karaokekönig. Es traten Arian und Caro an. Eigentlich wollte Arian auch noch Bass spielen, aber Horst verteidigte mutig sein Instrument. Trotzdem konnte sich Arians Version von “Du willst mich küssen” durchaus sehen lassen. Caro, selbst noch nicht die Älteste, setzte hingegen auf “Geschwisterliebe”. Sie konnte mit einer konsequent auf weibliche Sicht umformulierten Version glänzen, die großen Anklang fand. Folgerichtig gewann sie damit auch den großen Hauptpreis, einen… Nun ja, wir wollen doch nicht gleich alles verraten!
Nach einer kurzen politischen Einlage (Bullenstaat, Opfer), ging es dann mit Teddybär, Wilde Mädchen und dem Roten Minirock weiter.
Eine Setliste konnten wir nach dem Konzert leider nicht ergattern, daher gibt’s hier auch keine exakten Angaben darüber, welche Stücke genau gespielt wurden. Es waren jedenfalls ziemlich viele…
Die Zu Späten heizten uns natürlich ordentlich ein, wobei wie bei ihren Vorbildern auch viele Stücke komplett umgewandelt wurden, sowohl textlich als auch musikalisch. Bei “Außerirdische” z.B. wurde der Text komplett verändert (“plötzlich landete ein Schulhof im Gras”!?!), “Grace Kelly” begann in einer genialen Ska-Version. Bei “2000 Mädchen” lag die komplette Band vor Lachen am Boden, nachdem Dieter den Text etwas modifiziert hatte (Thema “ficken” und “klein”…) =;-)
Aber irgendwann waren dann auch die Zu Späten am Ende ihres Sets. Zum Glück konnten wir sie aber noch dazu bewegen, ein paar Zugaben zu spielen! =;-) Und plötzlich kam Dieter (oder war es Steffi?) an den Bühnenrand und gestand: “Wir haben Euch belogen!” Großes Entsetzen unter den Fans – was war passiert? Horst ergänzte: “Wir sind schwul.” Darauf wollte Dieter jetzt eigentlich nicht hinaus, sondern er bestätigte daraufhin den Verdacht, der wohl schon in einigen Fans keimte, und erklärte, daß sie gar keine Ärzte-Coverband sind, sondern die echten Ärzte (und Farin konnte endlich die “scheußliche pinke Perücke” abnehmen)!
Da brach unter den Fans großer Jubel aus und für uns hatte sich der Trip nach Berlin doch noch _richtig_ gelohnt =:-).
Als das geklärt war, konnten die drei dann ihren Hit “Elke” anspielen. Es hat zwar ein Weilchen gedauert, da Farin erst noch “We are sailing” unterbringen mußte, aber dann folgte eine tolle Version von Elke. Teilweise war das Lied kaum noch zu erkennen… dann gab es noch ein kleines Abzählspielchen (Farin: “auf” Wir: “dem” Farin: “Fried” Wir: “hof” usw. bis Farin merkte, daß es so nicht aufgeht und wir das Ganze nochmal andersrum anfangen durften…)
Die Ärzte starteten noch eine Aktion “Ärtze-Fans gegen Frischluft” und widmeten der Frischluft das nächste Lied: Schunder-Song. Endlich mal ‘ne gute Aktion, denn wer braucht auf einem Konzert schon Frischluft… =;-)
Irgendwann mußten DÄ dann aber wirklich zum Ende kommen. Es folgte noch das Lied, das einer sehr guten Ärzte-Cover-Band den Namen gegeben hatte: “Zu spät”. Auch hier gab es wieder einige Textveränderungen, die dann auch gleich schauspielerisch umgesetzt wurden: (“Eines Tages werd’ ich mich rächen, ich werd’ mich auf deinen Penis erbrechen.” – und Bela rannte zu Farin…)
Danach kam dann natürlich noch “Gute Nacht”, und weg waren sie.
Insgesamt gab es relativ wenige Ansagen (dafür aber umso bessere Textverunstaltungen!), aber das lag wohl vor allem daran, daß DÄ nunmal nicht die volle Zeit hatten, da “Essen auf Rädern” ja auch schon gespielt hatten und das Publikum dementsprechend fertig war. Aber das fiel absolut nicht negativ auf, und obwohl das Ärzte-Konzert mit zweieinhalb Stunden relativ kurz war, es war trotzdem genial!
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